Zusammenfassung [0]:
Zugunsten der Cochrane Library[1] hat die Cochrane Collaboration [2] eine ‘Petition’ [3] auf den Weg gebracht, die EU möge die Volltext-Einsicht in bestimmte medizinische kostenpflichtige wissenschaftliche Zeitschriften für EU-Bürger finanzieren.
Das ist jedoch keine Petition, sondern eine Werbeaktion, um für ganz normale kostenpflichtige STM-Zeitschriften eine landesweite Lizenz zu finanzieren- oder gleich eine für ganz Europa, zu bezahlen dann z.B. wie in der ‘Petition’ gefordert, von der EU.
So würde mich als Akademiker z.B. die Zeitschrift Bioploymers Online 1.163,- US-Dollar [4] kosten, nicht gerade Open Access.
Der Begriff Open Access wird hier missbräuchlich verwendet: OA meinte immer: freier Zugang für alle weltweit auf eine digitale Kopie eines Werkes, unabhängig von der Frage, wer dafür zahlt und wer den Dienst anbietet.
Cochrane Library bietet aber nur Zugang für Nutzer, für die jemand die online-Kopie Zugangsberechtigung bezahlt hat, sei es der Autor, seine Bibliothek, seine Universität, das Land, oder vielleicht wie hier gefordert, die EU.
Das kann kaum im Interesse der Wissenschaft sein, denn bei diesem Geschäftsmodell legen die STM-Verlage einseitig den Preis des Zugangs fest, und die Petition will politische Instanzen bedrängen, diesen Preis zu bezahlen, ohne Einfluss auf die Höhe nehmen zu können. Als Geschäftsmodell genial: statt freier Marktwirtschaft, d.h. die für die Nutzer sich verantwortlich fühlenden zahlenden Institutionen verhandeln mit den Verlagen über die Preise, wird hier der Subvention das Wort geredet, -mit missbräuchlicher Verwendung der Worte ‘Petition’ und ‘Open Access’. Ich z.B. habe keinen Zugang auf die Cochrane Library, also ist sie nicht Open Access.
Cochrane Library vermittelt toll-access Zeitschriften, ist ein rein kommerzielles Unternehmen von John Wiley and Sons Ltd und insofern seinen Aktionären verpflichtet, nicht den Lesern und ihren Bedürfnissen und Anforderungen.
Wenn schon eine Petition, dann eine solche, die die EU auffordert, die Cochrane Library in ein non-profit Unternehmen umzuwandeln, die die Artikel ihrer Zeitschriften für alle online open access stellt und ihre nachweislichen Unkosten von der EU bezahlt bekommt.
Modelle, wer den Zugriff zahlt:
bisher lagen die Fronten ja einfach: Subskriptions-Modell der kommerziellen Verlage gegen OA der Wissenschaftsinstitutionen und ihrer Dienstleister. Diese ‘Kampflinie’ verfolgt nur noch der erste Angestellte des Börsenvereins, weil er meint, seinen Auftrag von den STM-Verlagen so zu verstehen.
Die kommerziellen Verlage, Wiley, Springer, Elsevier etc. experimentieren dagegen längst mit neuen Geschäftsmodellen, die in Richtung von OA führen, aber vorweg klären, wer zahlt.
– Springer
– – OpenChoice: Institution des Autors zahlt (3.000,- pro Artikel).
– – Current Reviews in Musculoskeletal Medicine; Erstausgabe geplant: März 2008
– – Current Reviews in Musculoskeletal Medicine; angekündigt: Mai 2007
– SCOAP3: CERN und die CERN finanzierenden Länder finanzieren die Hochenergie/Elementarteilchen-Zeitschriften nach einem raffinierten Modell, diese legen dafür alle ihre Artikel aus Bezahl-Papierzeitschriften free online (bzw. nur deren Hochenergie/Elementarteilchen-Theorie-Artikel). Effekt: Alle einschlägigen Artikel sind digital OA, printing on demand bzw. die Papierzeitschriften kosten, den Konsortialpreis definiert ein gemeinsames Gremium von CERN und Verlagen.
– Elsevier, Wiley mit Cochrane etc. bieten dagegen Pauschalverträge für ganze Personengruppen (je Institution, Land, EU,..), egal wer zahlt. Hier setzt der Verlag einseitig die Preise, die zahlende Seite muss sehen, ob sie das will. Bei SCOAP3 haben beide Seiten ein Mitbestimmrecht und handeln den Preis aus.
Das Ergebnis bei Cochrane ist: nur in zahlenden Konsortien registrierte Benutzer haben Zugriff: normales toll-access-Modell;
Das Ergebnis bei SCOAP3 ist: das Konsortium zahlt, aber die Artikel sind für alle Leser weltweit offen zugänglich: lupenreiner Open Access.
Das Geld würde also sinnvoller angelegt, (und effektiver), wenn die EU die institutionellen Bibliotheken dafür bezahlt, dass sie die Artikel der lokalen Autoren online open access legt.(Kosten ca. 1% vom Subskriptionsmodell) [1a].
Generell ist die Tendenz der großen STM-Verlage, zu open Access überzugehen, und dabei möglichst viele der technisch machbaren Zusatzdienste als Mehrwert anzubieten, – wie printing on demand, online Forum zur Diskussion der Leser mit den Autoren von eingereichten aber noch nicht begutachteten Arbeiten, Kopplung mit Personenverzeichnissen und anderen professionellen Daten der Wissenschaftsinstitute, etc.
Tja, natürlich habe auch ich im ersten Impuls unterschrieben, ziehe aber hiermit meine Unterschrift öffentlich zurück…
[0] In der Diskussionsliste INETBIB – Internet in Bibliotheken, beginnend mit einer Kurzfassung dieses Textes, ebenso in der Diskussionsliste IP-OA Forum mit dem gleichen Text.
[1a] Hans Pfeiffenberger (‘Die staatlich eingesetzten Mittel für eine nationale Lizenz stehen in direkter Konkurrrenz zur Finanzierung von Open Access.’);
[1] Cochrane Library der John Wiley and Sons Inc.
[2] Cochrane Collaboration; mit Informationen zu ihren Organisationen und Beteiligten, z.B. Deutsches Cochrane Zentrum. Das DKZ wird auch vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert und widmet sich vor allem der Verbreitung systemischer Übesichtsartikel zur evidenzbasierten Medizin.
[3] ‘Petition’, die EU möge den EU-Bürgern den Zugang zu kostenpflichtigen Wiley Sons Ltd Zeitschriften finanzieren.
[4] Preise für den Zugang zur Zeitschrift Biopolymer Online.
[5] Edith Motschall, e-petition Cochrane Library; Inetbib
Diskussionsliste INETBIB – Internet in Bibliotheken; 14.3.2008
Letzte Ergänzung zu diesem Dokument vom 17.3.2008, in den nächsten Tagen werden noch Hinweise eingearbeitet.